Ca. 2 bis 5 % aller Kinder und Jugendlichen eines Jahrgangs sind hochbegabt. Sie verfügen über ein weit überdurchschnittliches kognitives Potential. Aber erst durch entsprechende familiäre und schulische Anregung und Förderung kann sich diese Veranlagung auch in entsprechende Leistung entwickeln. Eine gesunde Entwicklung der jungen Menschen kann erwartet werden.
Während für nichtbehinderte Hochbegabte ein zunehmend etabliertes Beratungs- und Diagnoseangebot in Deutschland zur Verfügung steht, gibt es in Europa keine Einrichtung, die sich mit hochbegabten Kindern und Jugendlichen mit einer zusätzlichen Behinderung befasst. Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass Sinnes- und Körperbehinderte eine ähnliche Verteilung der Intelligenz aufweisen wie Nichtbehinderte. Insofern ist auch bei dieser Gruppe ein Prozentsatz von ca. 5% an Hochbegabten anzutreffen.
In einer anregungsreichen Umgebung wird die Begabung gefördert und das Kind kann sich meist positiv entwickeln. Eine glücklich verlaufende schulische und berufliche Laufbahn ist wahrscheinlich. Wird aber die Begabung von den Eltern und/oder der Schule nicht erkannt, anerkannt und gefördert, kann sich das Potential häufig nicht entwickeln. Das Kind steht dann in der Gefahr, sich selber negative Eigenschaften zuzuschreiben, langweilt sich im Unterricht und ist unterfordert. Die Folge sind Albereien, psychosomatische Störungen und Leistungsversagen in der Schule. Diese Hochbegabten werden dann als "Underachiever" bezeichnet.
Experten schätzen den Anteil an Underachievern unterschiedlich, manche sprechen von bis zu 50%. Aufgrund empirische Untersuchungen ist ein Anteil an 15-20% unter den (nichtbehinderten) Hochbegabten realistisch.
Bei behinderten Hochbegabten dürfte der Anteil an Leistungsversagern wesentlich höher sein. Angloamerikanische Schätzungen sprechen von über 55%. In einer selbst durchgeführten Studie lag der Anteil an Underachievern bei hochbegabten Hörgeschädigten bei 28% und ist somit doppelt so hoch wie bei Normalhörenden.
Hochbegabte reagieren sehr unterschiedlich auf Underachievement. Allen Verhaltensweisen ist gemeinsam, dass eine negative schulische, berufliche und persönliche Entwicklung (wie z.B. keinen Schulabschluss, Wiederholen von Klassenstufen, Depressionen,...) sehr wahrscheinlich ist.
Diese negative Entwicklung kann nach Möglichkeit dadurch aufgehalten oder verhindert werden, in dem Eltern und Lehrer Anzeichen einer Begabung möglichst früh im Kindergarten oder in der Grundschule erkennen und den Verdacht testdiagnostisch abklären.
Deshalb sieht das sonderpädagogische Begabungszentrum die Beratung, Diagnose und Förderung hochbegabter Kinder und Jugendlicher als dringliche Aufgabe für eine optimale Persönlichkeitsentwicklung. Einer negativen Schullaufbahnentwicklung wird somit entgegengewirkt.
Kinder und Jugendliche mit einer Hochbegabung und insbesondere einer Behinderung stehen in der Gefahr von ihren Eltern und Lehrern hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit verkannt zu werden. Spätestens ab dem Zeitpunkt der Diagnose einer Körper- oder Sinnesschädigung werden vielfältige Anstrengungen unternommen, damit die behinderungsbedingten Schwächen reduziert werden. Diese Therapieangebote sind zweifelsohne sehr wichtig und notwendig und soll auch nicht angezweifelt werden. Doch bei diesem Vorgehen besteht die Gefahr, dass die Umwelt nur die Defizite des Kindes bzw. Jugendlichen sieht und dabei leicht Anzeichen von Stärken und Begabungen übersieht. Dabei hat jedes Kind und jeder Jugendliche eigene Bereiche, die es/er besonders gut kann. Diese gilt es zu entdecken, anzuerkennen und vor allem zu fördern.
Die Bemühungen der Familie, der Therapeuten und Lehrer werden - neben den notwendigen behinderungskompensatorischen Maßnahmen - auch dazu genutzt werden, das Begabungspotential des hochbegabten Kindes zu erkennen. So kann das behinderte Kind aufgrund seiner erkannten Stärken auch versuchen, seine Schwächen auszugleichen. Erst wenn das Kind weiß, was es kann, wo es gut ist und seinen Alterskameraden überlegen ist, kann es auch seine Behinderung akzeptieren und Defizite kompensieren.
Durch eine objektive Diagnose soll der Betroffene sein Potential erkennen und entfalten können. Eine gezielte Förderung kann einsetzen. Zukünftig kann der Betroffene selbstbewusst in seiner Umgebung agieren, sich gegen Vorurteile und Diskriminierungen schützen und seine Stärken bewusst einsetzen. Er findet sozial, schulisch, beruflich und privat seinen Platz in der Gesellschaft. Die Behinderung und Begabung stellen keine Defizite dar, sondern Stärken!
Die Beratung und Diagnose ist stärken- und ressourcenorientiert ausgerichtet. Dabei steht im Mittelpunkt der Bemühungen das Kind bzw. der Jugendliche mit seinem Entwicklungspotential. Durch die Beratung und Diagnose soll der Betroffenen sich seiner Stärken bewusst werden und gezielt einsetzen lernen. Ihm wird somit der Zugang zu den eigenen Stärken eröffnet und er erkennt die eigenen Entwicklungsmöglichkeiten. Er kann zukünftig seinen schulischen, beruflichen und privaten Weg selbstbewusster und motivierter gehen und neue Situationen und Herausforderungen besser meistern. Das Ziel ist es, einen Beitrag zu einer optimalen Entwicklung des jungen Menschen zu leisten.
Gleichzeitig ändert sich auch die Einstellung der Eltern gegenüber ihrem Kind. Die ganzheitliche Betrachtung richtet den Blick auf den ganzen Menschen und sie erkennen Stärken und Schwächen. Die Belastung kann somit abnehmen.
Die Beratung und Diagnose erfolgt auf Grundlage neuster theoretischer Erkenntnisse und es erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit der Wissenschaft.